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True Cost. Wahre Kosten.

Warum eine Ernährungswende nicht allein über den Preis gestaltet werden kann.

5,09 Euro. So teuer wären 250 Gramm Hackfleisch, wenn alle Kosten, die bei der Herstellung anfallen, mit eingepreist würden. Schäden verursacht durch Überdüngung, anfallende Treibhausgase oder Artenverlust. 5,09 Euro. Fast soviel, wie für die tägliche Ernährung eines Hartz IV-Empfängers in Deutschland vorgesehen ist. Sich davon gut und ausgewogen zu ernähren, ist kaum möglich.

Wahre Kosten – ausgezeichnet bei Penny in Berlin / Foto von Rolf Vennenbernd

Wir sind ein reiches Land. Stehen an fünfter Stelle weltweit. Trotzdem geben wir im internationalen Vergleich durchgängig wenig Geld für unsere Ernährung aus. Auch wenn verschiedene Lebensmittelskandale die Öffentlichkeit erschüttern: Weiterhin sind nur zehn Prozent der verkauften Lebensmittel in Deutschland biologischer Herkunft. Mehr bezahlen wollen Viele dann doch nicht. Oder können es schlicht nicht. Anfang September hat der Discounter Penny dann begonnen, in einem Markt in Berlin die so genannten „wahren Kosten“ einiger Produkte symbolisch auszupreisen. Ein konventionell produziertes Stück Fleisch ist so billig, da entstandene ökologische und soziale Schäden nicht mit eingepreist und berechnet werden. Selbst biologisch hergestellte Lebensmittel decken nicht alle verborgenen Kosten ab. Auch hier werden Umweltschäden oder CO2-Ausstoß nicht mit einberechnet. Dementsprechend hoch sind die „wahren Kosten“ für die Produkte, die wir im Supermarkt kaufen. Und die zahlen die Verbraucher dann doppelt.

Höhere Preise sind ein unzureichender Hebel

Gleichzeitig sind symbolisch höhere Preise unzureichend, um eine tatsächliche Ernährungswende zu gestalten. Denn wir sind ein Land, in dem der Wohlstand ungerecht verteilt ist. Ein Fünftel des Nettogesamtvermögens sind im Besitz von 0,1 % der Bevölkerung. Dafür leben 16 % der Deutschen unterhalb der Armutsgrenze und ein Viertel arbeitet im Niedriglohnbereich – vor allem in Ostdeutschland. Diese Menschen sind auf die günstigen Preis angewiesen. Gleichzeitig schränkt Armut die Lebenmittelauswahl stark ein: 5,02 Euro täglich sind für die Ernährung der 3,8 Millionen Menschen, die Arbeitslosengeld II empfangen, vorgesehen. Wie eine solche Diät aussieht, wird aktuell in der Austellung „Future Foods“ des Deutsches Hygiene-Museum gezeigt.

Ausstellungsdisplay zu „Ernährung mit Hartz IV“ in der aktuellen Ausstellung Future Foods im Hygienemuseum Dresden. / Foto von Maria Funke

Arme Menschen werden nicht versorgt

Wir sind ein armes Land. Arm, weil wir unserer Verpflichtung nicht nachkommen. So hat eine aktuelle Studie von Der Paritätische Wohlfahrtsverband – Gesamtverband ergeben, dass Menschen, die Hartz IV beziehen, nachweislich zu wenig Geld haben, um sich eine gesunde Ernährung leisten zu können. Viele müssen zusätzlich das Angebot der Tafel Deutschland e.V. nutzen, die 1,6 Millionen Menschen bundesweit versorgen. Dass die Tafeln dabei die mangelnde staatliche Versorgung dieser Menschen kompensieren, ist eine Schande für ein reiches Land wie Deutschland. Eine Katastrophe war es dementsprechend, dass zu Beginn der Corona-Krise rund die Hälfte der 949 Tafeln schliessen musste. Anders als die TAFEL Dresden, die durchgehend geöffnet blieb und weiterhin jede Woche rund 4000 Menschen versorgt.

Es gibt nur ganzheitliche Lösungen

Das heißt nicht, dass wir nicht handeln müssen. Eine Ernährungswende ist notwendig und ein transparentes Preissystem überfällig. Und das geht aber nur mit einer ehrlichen Debatte – auch darüber, wie hoch Löhne und staatliche Sicherung sein müssen, um ein gutes Leben zu führen. Ernährungssicherheit darf keine Frage der Brieftasche sein. Denn das ist, wovon wir von „Zur Tonne“ träumen: Gutes Essen für Alle. Und mehr Verständnis für Menschen in schwierigen Lebenssituationen.