Kein Grad weiter – Klimastreik 2020 und der Kampf um die Deutungshoheit
Im September 2019 waren weltweit Millionen Menschen unterwegs, um für das Klima zu streiken. Sensibilisiert durch die da noch junge Bewegung „Fridays For Future“ war das Klimathema wieder in den Fokus der Öffentlichkeit gerutscht. Und die Bewegung hatte einen Nerv getroffen: Allein in Deutschland nahmen über eine Million Menschen an den hunderten, bundesweiten Demonstrationen teil. Das Klima war 2019 als wichtiges Thema auf die politische Bühne zurückgekehrt – obwohl es eigentlich nie wirklich weg war.
Die „unsichtbare“ Klimadebatte
Rund alle sieben Jahre gibt der weltweite Klimarat IPCC den sogenannten Sachstandsbericht zur Erderwärmung heraus. Zuletzt 2018 mit einem Sonderbericht zu den Folgen einer globalen Erderwärmung von mehr als 1,5 Grad. 2015 hatten sich 175 Länder auf der Pariser Klimakonferenz dazu verpflichtet, die Erwärmung auf deutlich unter 1,5 Grad zu begrenzen. Um dieses Ziel zu erreichen, muss die Welt die Nettotreibhausgasemissionen zwischen 2045 und 2060 auf Null zurückfahren und damit einen sehr ambitionierten Klimaschutz betreiben. Gleichzeitig sollen ab der zweiten Jahrhunderthälfte Massnahmen zur verstärkten Aufnahme von CO2 getroffen werden – wie etwa die Anpflanzung von Wäldern.
Ein umkämpfter Begriff
Momentan sieht es allerdings so aus, als verfehlten wir die Ziele der Pariser Klimakonferenz. Auch, weil wir gut im Verdrängen sind und zunehmend vernetzte Interessengruppen der Energiebranche Einfluss auf Politik und Öffentlichkeit nehmen. So ist das Leugnen des menschengemachten Klimawandels heute unter Parteien, Lobbyisten und Konzernen weit verbreitet. Dabei weckt der Begriff vom Klimawandel falsche Vorstellungen. Zwar wird der gängige Ausdruck von allen politischen und gesellschaftlichen Akteuren benutzt. Allerdings macht er uns glauben, dass es sich beim „Klimawandel“ um einen natürlichen Prozess handelt. So wie sich das Klima immer verändert hat und das eben unaufhaltsam ist. Während noch in den 1980ern mehrheitlich von Erderwärmung gesprochen wurde, verwenden wir heute den deutlich unkritischeren Begriff des Klimawandels.
Mit Radikalität zurück auf die Bildfläche
Um das Thema ins seiner Gänze und Komplexität zu erfassen, sprechen Medien wie der Guardian mittlerweile von „Klimakrise“. So wie die Debatte braucht auch die junge Klimabewegung mehr Radikalität. Denn während zum globalen Klimastreik 2019 noch Millionen Menschen auf die Straße gingen, waren 2020 viel weniger Demonstrant:Innen unterwegs. Was daran liegt, dass das Corona-Virus dieses Jahr im Mittelpunkt der medialen Aufmerksamkeit steht – und damit bedeutet, dass Klimafragen dieses Jahr oft hintenan stehen.
Ja, in Fragen großer persönlicher Not und Angst um die eigene Existenz, Arbeit, Gesundheit oder Familie erscheint es viel verlangt, komplexe Zusammenhänge wie die globale Klimakrise nicht aus den Augen zu lassen. Und doch ist es wichtig, hier am Ball zu bleiben. Nicht zuzulassen, dass das Thema wieder unter den Tisch fällt. Noch können wir die Dinge verändern – wenn wir die Krise annehmen als das, was sie ist: Die größte Bedrohung der Menschheit. Und eine Chance zur Veränderung. Auch deshalb waren wir – wie bereits letztes Jahr – am 25. September beim Klimastreik dabei. Um endlich selbst zu handeln und unsere Zukunft nicht aufzugeben. Und um klar zu benennen, um was es sich handelt: Die Klimakrise.