Dass die Verschwendung von Lebensmittteln längst kein Nischenthema mehr ist, sondern viele Menschen umtreibt, wurde uns wieder einmal bewusst, als wir mit „Zur Tonne“ einer Einladung der Stadt Radebeul folgten, um dort einen unserer offenen Abende zu veranstalten. Bereits letztes Jahr hatten verschiedene Akteure der Stadt Radebeul Kontakt mit uns aufgenommen. Denn das Sozialamt, die lokale Volkshochschule, das Familienzentrum und Weitere hatten gemeinsam die Idee, in Radebeul ein eigenes Projekt zur Lebensmittelrettung auf die Beine zu stellen.
Radebeul, Stadt mit vielen Gesichtern
Überregional ist Radebeul unter anderem dafür bekannt, dass hier die Millionärsdichte in Deutschland angeblich am Höchsten ist. Entlang der alten Postchaussee zwischen Dresden und Meißen gelegen, bezeichnete König Johann die Stadt 1860 als „sächsisches Nizza“. Und obwohl es keine Riviera gibt, bestimmen Villen und Weinberge das Stadtpanorama. Gleichzeitig gibt es auch hier eine Tafel, die bisher wöchentlich rund 70 Menschen versorgt hat. Und wie in Dresden ist auch in Radebeul die Zahl der Tafelkund:innen durch Corona angestiegen. In einer wohlhabenden Stadt zu leben, bedeutet eben nicht zwangsläufig, dass es hier keine Armut oder Bedürftigkeit gibt.
Wir stehen vor den gleichen Problemen
Oder keine Verschwendungt. Denn wie in Dresden bleiben auch bei der Tafel Radebeul regelmäßig Lebensmittel nach der Ausgabe übrig. Und auch in Radebeul haben die Initiator:innen beobachtet, dass durch die Spaltung der Gesellschaft die Menschen weniger zusamenn kommen. Daher kam der Wunsch, ein gemeinsames, öffentliches Essen zu veranstalten. Und da wir mit „Zur Tonne“ bereits seit zwei Jahren unterwegs sind, wurden wir sozusagen als „Mentoreninnen“ für das zukünftige Projekt eingeladen. Denn schließlich stehen wir alle vor ähnlichen Problemen. Und warum sollten Andere nicht von unseren Erfahrungen profitieren können?
Ein erster Abend von Vielen
Nach einem halben Jahr Planung und Vorbereitung war es dann soweit: Am Donnerstag, den 16. Juli 2019, fand unser Premierenabend unter dem Motto „Radebeul isst“ statt. Vor dem Kulturbahnhof Radebeul waren Tische für kleinere Gruppen aufgebaut worden. Aufgrund der Coronaauflagen hatten wir uns gegen eine lange Tafel entschieden. Nachdem die ersten Hungrigen Platz genommen hatten, fing es rechtzeitig zum ersten Gang, einem Blumenkohlsüppchen an Brot und Möhrengrünpesto, an zu regnen. Daraufhin mussten 40 Menschen schnell in den Kulturbahnhof umziehen, der bereits im Vorfeld als Schlecht-Wetter-Variante ausgewählt worden war. Zum Hauptgang, einer gefüllten Parika Schote an Kartoffelsaalt und Pilzrahmsauce, fand auch der Bürgermeister der Stadt Platz im ehemaligen Bahnhof. Den Abschluss des Abends bildeten ein „Kirschmalheur“ und viele gute Gespräche.
Save the date
Dieser erste Abend stellt allerdings nicht das Ende unserer Zusammenarbeit dar. Denn bereits im November wagen wir eine Neuauflage. Alle Initiator:innen von „Radebeul isst“ wünschen sich eine Verstetigung des Projektes. Allerdings sollen in Zukunft Verantwortliche und interessierte Personen in der Stadt die Leitung dieser Abende in die Hand nehmen. Zu sehen, dass unsere Idee auch in Radebeul Menschen zum Handeln bringt, freut uns sehr. Und gleichzeitig wissen wir, dass es unserer Unterstützung dann nicht mehr bedarf. So wird der Termin im November der letzte gemeinsame sein. Und nächstes Jahr sind wir zu Gast, wenn es heißt: Radebeul isst.