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Essen ist politisch – Corona und die Auswirkungen auf unsere Ernährung.

Wir von „Zur Tonne“ haben im letzten Vierteljahr vermutlich noch mehr als sowieso schon gekocht. Es gab, was da war, weil wir keine Lust zum Einkaufen hatten oder die Regale leer waren. Also wurden wir erfinderisch und haben wild kombiniert, Blumenkohl in den Ofen gesteckt, Nudelteig ausgerollt und „Reste“ verwertet. Und damit waren wir nicht allein. Denn laut des im Mai veröffentlichten Ernährungsberichts 2020 hat die Corona-Krise nicht nur das Essverhalten vieler Menschen in Deutschland beeinflusst – sondern auch unseren Blick auf Ernährung und Landwirtschaft generell. So gaben 30 Prozent der Befragten an, jetzt mehr zu kochen und zu Hause zu essen. Gleichzeitig gewannen frische, regionale Produkte für sie an Bedeutung.

Ernährung ist systemrelevant

Corona hat noch einmal deutlich gemacht, dass Ernährung wichtig – ja sogar „systemrelevant“ ist. Denn essen muss Jede:r. Dabei ist die Situation nicht so rosig, wie sie jetzt vielleicht klingt. Denn schon vor Corona war unsere Ernährung in Schieflage geraten. Wir werfen Lebensmittel weg, sind Weltmeister im Export billigsten Schweinefleisches und beuten Menschen, Tiere und Umwelt gleichermaßen aus. Deutschland ist mittlerweile das Schlachthaus Europas, mit doppelt so vielen hier lebenden Nutztieren wie Menschen. 5 Millionen Tonnen Fleisch exportieren wir. Jedes Jahr.

Corona beschleunigt Entwicklung

Daran hat sich trotz der Corona-Pandemie wenig geändert. Tatsächlich beschleunigt sich die Zerstörung unserer Ressourcen gerade. Die Geschwindigkeit der Abholzung des Amazonas für Futtersoja hat sich im Mai verdoppelt. Weltweit sind Fleischfabriken Infektionsherde geworden und Preise für Obst und Gemüse teilweise um ein Viertel gestiegen. Damit ist und verursacht Corona auch eine soziale Krise. Denn obwohl 39 % der Befragten des Ernährungsreports angaben, dass die Landwirtschaft für sie an Bedeutung gewonnen hat und auch das Bewusstsein für lokal erzeugte Lebensmittel gestiegen ist, wurden auch in Deutschland die Fleischfabriken zu Infektionsherden.

Wie sieht die Ernährung der Zukunft aus?

Während die Befragten des Ernährungsreports angaben, für Fleisch auch mehr Geld ausgeben zu wollen, hatte ein deutscher Discounter Mitte Juni die Wurstpreise deutlich gesenkt. Trotz anhaltender Skandale in der Fleischindustrie, den lange bekannten ausbeuterischen Zuständen von Menschen, Tieren und Umwelt ist die Nachfrage nach billigem Fleisch ungebrochen. Während das Bundeslandwirtschaftministerium darauf hofft, dass der Verbraucher über seine Nachfrage diese Entwicklung lenken wird, sagen wir: NEIN. Es bedarf Gesetzen für den Schutz von Natur, Mensch und Tieren. Diese Verantwortung sollte nicht auf Bürger:innen übertragen werden. Was wir allerdings machen können – und müssen – ist, uns unsere Ernährung zurückzuerobern. Selber kochen, statt verarbeitete Lebensmittel mit problematischen Zutaten zu kaufen. Nur so gewinnen wir die Kontrolle über unsere Ernährung zurück. Nur so können wir mitwirken und entscheiden, wie wir uns morgen ernähren wollen. Damit unsere Ernährung weiterhin „systemrelevant“ bleibt.

Containern ist kein Verbrechen!

Grafik von WeAct Campact

Wir erinnern uns: Im Juni 2018 wurden zwei junge Frauen wegen Diebstahls zu einer Strafe von 2400 Euro verurteilt – weil sie bei Edeka containert hatten.

Nachdem Franzi und Caro am Abend des 4. Juni 2018 Gemüse und Milchprodukte aus der Tonne eines Edeka gezogen hatten, wurden sie auf dem Heimweg von der Polizei angehalten. Beide wurden kurz darauf wegen „Diebstahl in besonders schweren Fall“ angeklagt.

Diese Anklage macht mehrere Misstände sichtbar. Zum Einen, die Frage nach der Rechtslage in Deutschland. Da es sich hier nicht um einen Einzelfall handelt, hatte es bereits 2017 eine Petition gegeben, die Straffreiheit für die Rettung von Lebensmitteln forderte. Die Initiatoren betonten, dass sie dem Staat, der gegen Menschen, die Lebensmittel aus dem Müll retteten, vorging, eine Mitschuld an der weltweiten Verschwendung von Lebensmitteln gaben. Sie regten daher eine Änderung des Strafgesetzbuches an, die vor allem vorsah, dass bei geringer Schuld, wie dem Containern, von einer Strafe abgesehen wird.

Der Staat bestraft hier nicht nur – er macht sich mitschuldig. Denn in Deutschland, achtgrößter Verschwender von Lebensmitteln weltweit, gibt es diesbezüglich immer noch keine gesetzlichen Regularien. Anders als in Frankreich, wo den Einzelhändler bereits seit einer Weile verboten ist, Lebensmittel wegzuwerfen, setzt man in Deutschland immer wieder auf Freiwilligkeit.

Besonders perfide ist das Vorgehen von Edeka, da der Konzern gemeinsam mit dem WWF eine „Partnerschaft der Nachhaltigkeit “ führt. Als Edeka die Strafanzeige gegen die beiden Frauen stellte, trieb es die Kriminalisierung von Lebensmittelrettern voran. Hier zeigt sich, dass Nachhaltigkeit für den Einzelhändler nicht mehr als ein Etikett zu sein scheint. Genauso unglaubwürdig macht sich die Bundesregierung, die mit „Zu gut für die Tonne“ eine eigene Kampagne zur Lebensmittelverschwendung startete.

Lebensmittel, die nicht gegessen werden, sondern im Müll landen, befeuern den Klimawandel. Allein in Deutschland landen 18 Millionen Lebensmittel in der Tonne. Für die Ressourcen, Land, Wasser, Strom und Fläche aufgebraucht werden. Lebensmittelverschwendung zu dulden, ist angesichts sich verschärfender, internationaler Konflikte – wie Landgrabbing, Hungersnöte, Lebensmittelspekulation – ein Skandal.

Kurz nach der Anzeige durch Edeka starteten Caro und Franzi die Petition „Containern ist kein Verbrechen“. Dreiviertel der nötigen Stimmen sind erreicht. Wir unterstützen die Petition, da wir finden, dass es höchte Zeit ist, dass Lebensmittel in Deutschland die ihnen zustehende Wertschätzung erhalten. Ihr denkt auch so. Dann unterscheibt hier:

https://weact.campact.de/petitions/containern-ist-kein-verbrechen-1