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Fleischproduktion

Nicht zuletzt durch die Coronapandemie sind die Zustände in der fleischverabeitenden Industrie im letzten Jahr stark diskutiert worden. Aber hier hört es nicht auf. Denn an der Fleischproduktion ist vieles problematisch. Von der Tierhaltung über die Verarbeitung bis hin zu den Preisen, die für Wurst und Schnitzel im Supermarkt verlangt werden. Und dann gibt es da noch die Tatsache, dass unser Fleischkonsum indirekt auch für die Coronapandemie verantwortlich ist. Aber eins nach dem anderen.

Ob Kuh, Schwein oder Schaf – alles, was auf dem Teller landet hat vorher gelebt

Anstieg trotz fleischfreier Trends

Obwohl vegetarische und vegane Ersatzprodukte in den letzten Jahren boomen, hat der weltweite Fleischkonsum in den letzten Jahren zugenommen. Mit rund 360 Millionen Tonnen im Jahr hat sich die Produktion in den letzten 20 Jahren mittlerweile verdoppelt. Immer mehr Menschen können sich Fleisch auf dem Teller leisten – und tun es auch. In Deutschland liegt der Konsum seit Jahren konstant bei rund 60 kg pro Kopf und Jahr. Zwar gibt es heute weltweit wachsende Bedenken bezüglich Tierhaltung, Gesundheit und Nachhaltigkeit in der Fleischproduktion – im Durchschnitt hält das die Menschen jedoch nicht vom Verzehr ab.

Während der Markt für Fleisch also wächst, gilt das nicht für alle Sorten gleichermaßen. Denn der Anteil von Rind und Schaf nimmt am Gesamtkonsum ab, während Schwein und Geflügel von immer mehr Menschen gegessen werden und den Markt dominieren. Das hat zur Folge, dass der Verkauf – oder Export – von Geflügel oder Schweinefleisch mittlerweile ein sicheres Geschäft ist. Auch in Deutschland, wo die Nutztierhaltung ein wichtiges Standbein der Landwirtschaft ist. EU-weit nimmt Deutschland sogar die Spitzenposition bei der Erzeugung von Schweinefleisch und diversen tierischen Produkten ein. So erzeugen wir fast 20 Prozent mehr Schweinefleisch als wir benötigen – das dann auf den Märkten im Ausland verkauft wird. Dieses Wachstum ist allerdings teuer erkauft.

Zunahme des Fleischkonsums, einsehbar beim diesjährigen Fleischatlas

Die Schattenseite der Fleischproduktion

Wie wir bereits wissen, sind Lebensmittel nie einfach nur ein Stück Brot, ein Käse oder eben eine Wurst. Sondern dahinter stehen Ressourcen, die bei der Produktion verbraucht werden. Klar konsumieren wir bestimmte Tiere, wenn wir Fleisch essen. Aber auch Wasser, Energie, Futter, Arbeitskraft – Ressourcen, die nicht eingepreist werden. Dazu verursacht Fleischproduktion immense Umweltschäden, in Deutschland und weltweit. So ist die Nitratbelastung deutscher Böden so hoch, dass durch die Europäische Union eine Geldstrafe droht. Diese Belastung, die das Grundwasser verseucht, tritt vor allem auf, wo viele Tiere gemeinsam gehalten werden – und dementsprechend viel Gülle anfällt. Unter Massentierhaltung leiden also nicht nur die Tiere, sondern auch die Umwelt. Neben der Verschmutzung von Boden und Wasser verursacht die Fleischproduktion die Hälte aller Treibhausgase der gesamten Nahrungsmittelindustrie,

Da Fleisch auch aufgrund massiver Subventionen günstig gehandelt wird und der weltweite Appetit darauf wächst, werden immer mehr landwirtschaftliche Flächen für die Viehwirtschaft benötigt. Gleichzeitig werden auf immer mehr Ackerflächen Futtermittel wie Soja oder Mais angebaut. Bereits jetzt landen über ein Drittel der jährlich geernteten Feldfrüchte in den Mägen der Tiere. Und das, obwohl weltweit 900 Millionen Menschen hungern. Und auch die Umwelt leidet unter diesen riesigen Monokulturen. Für die in Brasilien beispielsweise der Regenwald gerodet wird. Dieser Verlust natürlicher Rückzugsräume wilder Tiere führt nicht nur zu einem Rückgang von Biodiversität. Sondern auch dazu, dass Krankheiten auf Nutztiere überspringen können. Was in der Biologie Zoonose heißt, ist wahrscheinlich der Urheber der Coronapandemie.

Fleisch für den Müll produziert

Einen anderen Umgang entwicklen

Und nicht nur Umweltschäden gehen auf das Konto der Fleischproduktion. Zuletzt waren die Bedingungen, unter denen die Arbeiter:innen in den Fleischfabriken arbeiten müssen, viel in der Kritik. Und das zu Recht. Es sind zumeist Menschen aus Osteuropa, die hier ausgebeutet werden ohne Arbeitnehmerrechte oder ein faires Gehalt. Und das alles nur, damit wir unser billiges Hackfleisch auf dem Teller haben. Billiges Fleisch ist doppelt bezahlt. Nicht nur, weil wahre Kosten nicht eingepreist sind, sondern auch, weil wir es weniger schätzen. So landen auch in Deutschland jedes Jahr über 8 Millionen Hühner als Fleischabfälle in der Tonne. Nicht in der Gastronomie oder der Verarbeitung. Nein, bei uns zu Hause. Mit anderen Fleischsorten sieht es kaum anders aus. Am Ende der Kette also, nachdem Mensch, Tier und Umwelt massiv ausgebeutet wurden, fliegt das Fleisch in den Müll.

Dabei kann man von so eiem Huhn fast alles essen. Was bis in die 1950er auch gemacht wurde. Danach haben sich die Ess- und Sehgewohnheiten verändert. Der Supermarkt schweißt Fleisch in Plaste ein und lässt kaum erahnen, dass dafür ein Tier gestorben ist. Und das ist ein Grundproblem. Denn wir brauchen einen neuen Bezug zum Fleisch. Müssen es wieder schätzen lernen. Und es als das besondere Lebensmittel sehen, dass es ist. Und nicht zuletzt müssen wir weniger Fleisch essen. Wenn wir wollen, dass unsere Umwelt weiterhin für alle Menschen lebenswert ist.

Essen ist politisch – Corona und die Auswirkungen auf unsere Ernährung.

Wir von „Zur Tonne“ haben im letzten Vierteljahr vermutlich noch mehr als sowieso schon gekocht. Es gab, was da war, weil wir keine Lust zum Einkaufen hatten oder die Regale leer waren. Also wurden wir erfinderisch und haben wild kombiniert, Blumenkohl in den Ofen gesteckt, Nudelteig ausgerollt und „Reste“ verwertet. Und damit waren wir nicht allein. Denn laut des im Mai veröffentlichten Ernährungsberichts 2020 hat die Corona-Krise nicht nur das Essverhalten vieler Menschen in Deutschland beeinflusst – sondern auch unseren Blick auf Ernährung und Landwirtschaft generell. So gaben 30 Prozent der Befragten an, jetzt mehr zu kochen und zu Hause zu essen. Gleichzeitig gewannen frische, regionale Produkte für sie an Bedeutung.

Ernährung ist systemrelevant

Corona hat noch einmal deutlich gemacht, dass Ernährung wichtig – ja sogar „systemrelevant“ ist. Denn essen muss Jede:r. Dabei ist die Situation nicht so rosig, wie sie jetzt vielleicht klingt. Denn schon vor Corona war unsere Ernährung in Schieflage geraten. Wir werfen Lebensmittel weg, sind Weltmeister im Export billigsten Schweinefleisches und beuten Menschen, Tiere und Umwelt gleichermaßen aus. Deutschland ist mittlerweile das Schlachthaus Europas, mit doppelt so vielen hier lebenden Nutztieren wie Menschen. 5 Millionen Tonnen Fleisch exportieren wir. Jedes Jahr.

Corona beschleunigt Entwicklung

Daran hat sich trotz der Corona-Pandemie wenig geändert. Tatsächlich beschleunigt sich die Zerstörung unserer Ressourcen gerade. Die Geschwindigkeit der Abholzung des Amazonas für Futtersoja hat sich im Mai verdoppelt. Weltweit sind Fleischfabriken Infektionsherde geworden und Preise für Obst und Gemüse teilweise um ein Viertel gestiegen. Damit ist und verursacht Corona auch eine soziale Krise. Denn obwohl 39 % der Befragten des Ernährungsreports angaben, dass die Landwirtschaft für sie an Bedeutung gewonnen hat und auch das Bewusstsein für lokal erzeugte Lebensmittel gestiegen ist, wurden auch in Deutschland die Fleischfabriken zu Infektionsherden.

Wie sieht die Ernährung der Zukunft aus?

Während die Befragten des Ernährungsreports angaben, für Fleisch auch mehr Geld ausgeben zu wollen, hatte ein deutscher Discounter Mitte Juni die Wurstpreise deutlich gesenkt. Trotz anhaltender Skandale in der Fleischindustrie, den lange bekannten ausbeuterischen Zuständen von Menschen, Tieren und Umwelt ist die Nachfrage nach billigem Fleisch ungebrochen. Während das Bundeslandwirtschaftministerium darauf hofft, dass der Verbraucher über seine Nachfrage diese Entwicklung lenken wird, sagen wir: NEIN. Es bedarf Gesetzen für den Schutz von Natur, Mensch und Tieren. Diese Verantwortung sollte nicht auf Bürger:innen übertragen werden. Was wir allerdings machen können – und müssen – ist, uns unsere Ernährung zurückzuerobern. Selber kochen, statt verarbeitete Lebensmittel mit problematischen Zutaten zu kaufen. Nur so gewinnen wir die Kontrolle über unsere Ernährung zurück. Nur so können wir mitwirken und entscheiden, wie wir uns morgen ernähren wollen. Damit unsere Ernährung weiterhin „systemrelevant“ bleibt.