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Kein Grad weiter – Klimastreik 2020 und der Kampf um die Deutungshoheit

Im September 2019 waren weltweit Millionen Menschen unterwegs, um für das Klima zu streiken. Sensibilisiert durch die da noch junge Bewegung „Fridays For Future“ war das Klimathema wieder in den Fokus der Öffentlichkeit gerutscht. Und die Bewegung hatte einen Nerv getroffen: Allein in Deutschland nahmen über eine Million Menschen an den hunderten, bundesweiten Demonstrationen teil. Das Klima war 2019 als wichtiges Thema auf die politische Bühne zurückgekehrt – obwohl es eigentlich nie wirklich weg war.

Plakat beim Klimastreik 2020 in Dresden / Foto von Maria Funke

Die „unsichtbare“ Klimadebatte

Rund alle sieben Jahre gibt der weltweite Klimarat IPCC den sogenannten Sachstandsbericht zur Erderwärmung heraus. Zuletzt 2018 mit einem Sonderbericht zu den Folgen einer globalen Erderwärmung von mehr als 1,5 Grad. 2015 hatten sich 175 Länder auf der Pariser Klimakonferenz dazu verpflichtet, die Erwärmung auf deutlich unter 1,5 Grad zu begrenzen. Um dieses Ziel zu erreichen, muss die Welt die Nettotreibhausgasemissionen zwischen 2045 und 2060 auf Null zurückfahren und damit einen sehr ambitionierten Klimaschutz betreiben. Gleichzeitig sollen ab der zweiten Jahrhunderthälfte Massnahmen zur verstärkten Aufnahme von CO2 getroffen werden – wie etwa die Anpflanzung von Wäldern.

Klimastreik 2020 in Dresden / Foto von Maria Funke

Ein umkämpfter Begriff

Momentan sieht es allerdings so aus, als verfehlten wir die Ziele der Pariser Klimakonferenz. Auch, weil wir gut im Verdrängen sind und zunehmend vernetzte Interessengruppen der Energiebranche Einfluss auf Politik und Öffentlichkeit nehmen. So ist das Leugnen des menschengemachten Klimawandels heute unter Parteien, Lobbyisten und Konzernen weit verbreitet. Dabei weckt der Begriff vom Klimawandel falsche Vorstellungen. Zwar wird der gängige Ausdruck von allen politischen und gesellschaftlichen Akteuren benutzt. Allerdings macht er uns glauben, dass es sich beim „Klimawandel“ um einen natürlichen Prozess handelt. So wie sich das Klima immer verändert hat und das eben unaufhaltsam ist. Während noch in den 1980ern mehrheitlich von Erderwärmung gesprochen wurde, verwenden wir heute den deutlich unkritischeren Begriff des Klimawandels.

Aufruf zum weltweiten Klimastreik

Mit Radikalität zurück auf die Bildfläche

Um das Thema ins seiner Gänze und Komplexität zu erfassen, sprechen Medien wie der Guardian mittlerweile von „Klimakrise“. So wie die Debatte braucht auch die junge Klimabewegung mehr Radikalität. Denn während zum globalen Klimastreik 2019 noch Millionen Menschen auf die Straße gingen, waren 2020 viel weniger Demonstrant:Innen unterwegs. Was daran liegt, dass das Corona-Virus dieses Jahr im Mittelpunkt der medialen Aufmerksamkeit steht – und damit bedeutet, dass Klimafragen dieses Jahr oft hintenan stehen.

Ja, in Fragen großer persönlicher Not und Angst um die eigene Existenz, Arbeit, Gesundheit oder Familie erscheint es viel verlangt, komplexe Zusammenhänge wie die globale Klimakrise nicht aus den Augen zu lassen. Und doch ist es wichtig, hier am Ball zu bleiben. Nicht zuzulassen, dass das Thema wieder unter den Tisch fällt. Noch können wir die Dinge verändern – wenn wir die Krise annehmen als das, was sie ist: Die größte Bedrohung der Menschheit. Und eine Chance zur Veränderung. Auch deshalb waren wir – wie bereits letztes Jahr – am 25. September beim Klimastreik dabei. Um endlich selbst zu handeln und unsere Zukunft nicht aufzugeben. Und um klar zu benennen, um was es sich handelt: Die Klimakrise.

Nominierung für den deutschen Nachbarschaftspreis

Wir freuen uns sehr, dabei zu sein.

Verrückt und schön zu sehen, wie Arbeit sich auszahlt. Gerade eben haben wir erfahren, dass „Zur Tonne“ aus über 900 Einreichungen für den Nachbarschaftspreis 2020 nominiert wurde. Der Preis wurde von der Nebenan Stiftung ins Leben gerufen, um nachbarschaftliches Engagement auszuzeichnen. Wir gehören damit zu 107 ausgesuchten Initiativen bundesweit. Die Nominierung freut uns besonders, da wir darin auch sehen, dass wir mit „Zur Tonne“ und dem Engagement dahinter auf dem richtigen Weg sind. Im September wählt eine Expertenjury je einen Gewinner pro Bundesland. Wir freuen uns eigentlich schon, überhaupt dabei zu sein und halten euch auf dem Laufenden! Bis dahin findet ihr uns auch unter https://www.nachbarschaftspreis.de/de/zur-tonne/. Dort könnt ihr euch auch die anderen, inspirierenden Nachbarschaftsprojekte einmal anschauen.

Die Idee dahinter

Stellvertretend für alle engagierten Nachbar:innen zeichnet der Deutsche Nachbarschaftspreis einmal im Jahr Projekte und Initiativen mit Vorbildcharakter aus, die sich vielerorts für ihr lokales Umfeld einsetzen, das Miteinander stärken und das WIR gestalten. Der Preis ist mit insgesamt 58.000 Euro dotiert und wird auf Landes- und Bundesebene vergeben. Mit dem Preis möchte die Stiftung deutschlandweit Nachbar:innen motivieren, sich für ihr Umfeld und ihre Mitmenschen einzusetzen. Dabei dienen die ausgezeichneten Lösungen und Ansätze als Inspiration, aber auch als konkrete Handlungsvorschläge.

Zur Tonne in der Presse: Leibniz Magazin

Unterwegs mit Tonnja / Foto von Lena Giovanezzi

Im Juli hat uns die Journalistin Doreen Reinhard einen Tag lang begleitet, um sich ein Bild von unserer Arbeit, der Küche „Tonnja“ und den Menschen hinter unserem Projekt zu machen. Herausgekommen ist ein wunderbarer Artikel im aktuellen Magazin der Leibniz-Gemeinschaft, der nicht nur noch einmal umreisst, worum es uns geht, sondern der auch Mut machen soll. Mut und Lust, Veränderung selber anzustoßen. Denn auch „Zur Tonne“ ist aus einer groben Idee im Rahmen des BürgerInnenbeteiligungsprozesses Zukunftsstadt Dresden entstanden. Genauer, aus dem Wunsch, Menschen zusammen zu bringen und Lebensmittel wieder mehr wertzuschätzen. Daraus ist dieses Projekt geworden, mit dem wir seit fast zwei Jahren in der Stadt unterwegs sind. Wir wissen nicht, wie die Zukunft aussieht, aber wir wollen sie mitgestalten.

Gazpacho und Pestos / Foto von Lena Giovanezzi

Die Zukunft fest im Blick

Die wunderbaren Bilder im Leibniz-Magazin stammen von der Fotografin Lena Giovanazzi, die ebenfalls einen ganzen Tag an unserer Seite war. Zum ersten Mal konnten wir unsere Arbeit auch Außenstehenden einmal näher zeigen. Wir haben uns sehr über diese Möglichkeit gefreut. Hier könnt ihr den wunderbaren Artikel von Doreen Reinhard nachlesen.

Sukuma Award – Dreharbeiten mit Tonnja

In Zeiten der Krise müssen wir hoffen können. Ideen und Visionen spinnen, an ihnen festhalten und vielleicht auch danach leben. Nur so entsteht auch Veränderung. Und nur so verlieren wir nicht den Mut. Finden zumindest wir. Und findet auch der Sukuma Arts e.V. Dresden. Der Verein hat es sich zum Ziel gesetzt, Menschen dazu anzuregen, sich kreativ mit ihrer Rolle in einer globalisierten Welt auseinander zu setzen. Dabei sollen vor allem alltagstaugliche Handlungmöglichkeiten eines nachhaltigen Lebensstils aufgezeigt werden. Der seit 2006 bestehende Verein ist einer der umtriebigsten in Dresden – neben dem Umundu Festival für Nachhaltigkeit schreibt Sukuma seit 2007 auch einen eigenen Preis aus: den Sukuma Award.

Ein Preis für Alle

Der Sukuma Award ist ein Bürger:innenfilmpreis. Aber der ungewöhnlichen Art. Jedes Jahr können Interessierte ihre Idee für einen kurzen Spot zum nachhaltigen Leben einreichen. Das muss nicht perfekt oder förmlich sein – Hauptsache, die Idee passt auf ein A4-Blatt. Gewonnen hat dieses Jahr eine anonyme Dresdnerin mit ihrem Entwurf einer Szene, die auf absurde Weise karikiert, wie normal anscheinend für uns alle die Verschwendung von Lebensmitteln geworden ist. Denn, dieses Jahr dreht sich alles um das Thema „Müll“ – sowohl beim Sukuma Award als auch auch im Oktober beim Umundu Festival. Da das Thema Lebensmittelverschwendung im Mittelpunkt des Spots stehen sollte, wurden wir von „Zur Tonne“ gefragt, ob wir nicht bei dessen Umsetzung mitwirken wollen.

Kamera läuft… / Foto von Sukuma Award
…..Essen liegt… / Foto von Sukuma Award

„Zur Tonne“ vor und hinter der Kamera

Und da mussten wir nicht zweimal gefragt werden. Sukuma ist uns mittlerweile ein wichtiger Kooperationspartner geworden. Im vergangenen Jahr hatten wir das Catering für das Symposium des Umundu Festivals bestritten. Auch dieses Jahr sind wir erneut Teil des Markts der Utopien, der dem Umundu Festival vorausgeht. Daher haben wir spontan zugesagt, nicht nur die Versorgung des Drehstabs zu leisten, sondern auch unsere mobile Küche Tonnja für einige Aufnahmen mitzubringen. Nach einem langen Drehtag ist ein witziger, beißender Spot herausgekommen, der das achtlose Konsumverhalten einiger Menschen auf die Spitze treibt und uns gleichzeitig dazu anregt, uns selbst genauer zu hinterfragen.

Catering von „Zur Tonne“ / Foto von Sukuma Award
Drehschluss und glückliche Gesichter / Foto von Sukuma Award

Wir haben uns sehr gefreut, dabei gewesen zu sein. Viel Spaß beim Spot!

Nominierung für den Lokale Agenda Preis 2020

Wir freuen uns, dass wir beim Lokalen Agenda Preis in der Kategorie „Bildung für Nachhaltigkeit und gesellschaftliche Entwicklung“ nominiert sind. Bereits zum 21. Mal wird der Preis mittlerweile in drei verschiedenen Kategorien verliehen. Die Lokale Agenda 21 ist ein 1998 in Dresden gegründeter Verein, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, Interesse für nachhaltige Entwicklung zu wecken. Darüber hinaus soll so Engagement für ein zukunftsfähiges Dresden mobilisiert werden.

Wir sind auf jeden Fall aufgeregt, „Zur Tonne“ im September vor einem kleinen Auswahlkommitee noch einmal präsentieren zu dürfen. Denn, auch wenn es nicht klappt, freuen wir uns, überhaupt dabei sein zu können. Letztendlich bedeutet allein die Teilnahme Anerkennung und Wertschätzung für unsere Arbeit. Wir halten euch auf dem Laufenden!

Sukuma Award- Dreharbeiten mit Tonnja

In Zeiten der Krise müssen wir Hoffnung schöpfen können. Ideen und Visionen für eine andere Zukunft spinnen und austauschen. Finden wir. Und findet auch der Sukuma Arts e. V. Dresden. Der Dresdner Verein versteht sich als Plattform für Menschen, die ökologische und sozial nachhaltige Lebens- und Konsumstile in eine breite Öffentlichkeit tragen wollen. Und regt dabei bereits seit 2006 Menschen dazu an, sich kreativ mit ihrer Rolle in einer globalisierten Welt auseinander zu setzen. Ein Jahr nach der Gründung kam 2007 schließlich der Sukuma Award dazu.

Ein Preis für Alle

Der Award erweckt die Arbeit des Vereins quasi zum Leben. Daher sollen mit diesem Projekt Menschen zum kreativen und nachhaltigen Handeln im Alltag motiviert werden. Dabei werden Themen wie Ausbeutung, Menschenrechtsverletzung aber auch Handlungsalternativen in Kinos und Medien publik gemacht. Denn beim Sukuma Award handelt es sich um die Umsetzung einer eingereichten Idee für einen kurzen Film. Mitmachen kann Jede:r, der eine Idee hat, die zum nachhaltigen Handeln anregt und diese auf ein A4 Blatt geschrieben, einreicht. Daraufhin wird der Gewinner Spot mit profesionellen Künstlern und Darstellern umgesetzt und in den Kinos der Stadt ausgestrahlt.

Dreharbeiten am Elbepark
Was für ein Müll

Schwerpunkt Verschwendung

Dieses Jahr liegt der Fokus ganz auf Verschwendung. Denn die Idee der diesjährigen Gewinnerin, war ein Spot der zeigt, wieviele Lebensmittel wir individuell wegwerfen. Statt sie mit nach Hause zu nehmen, könnten wir ein Viertel unserer Einkäufe auch direkt auf dem Parkplatz vor dem Supermarkt stehen lassen. Oder gleich verderben. Nach reichlicher Planung wurde Ende Juli auf dem Parkplatz eines Einkaufszentrums der Spot gedreht. Mit „Zur Tonne“ waren wir gleich in doppleter Funktion vor Ort. Denn wir haben nicht nur das Catering für die Produktion gestellt – sondern unserer Küche Tonnja wurde auch eine kleine Rolle im Spot zuteil. Nach einem langen Drehtag ist ein witziger, überspitzter Film herausgekommen, der zeigt, wie normal es scheinbar geworden ist, unbedacht mit Lebensmitteln umzugehen.

Catering von „Zur Tonne“
Yeah, im Kasten!

Sukuma, vielschichtig und bunt

Der Sukuma Arts e.V. ist eine der umtriebigsten Initiativen der Stadt. Neben dem Sukuma Award veranstaltet der Verein das jährlich stattfindende Umundu Festival für nachhaltige Entwicklung. Außerdem erzählen sie in dem Projekt Stories of Change Geschichten des Wandels und der Kraft, die dahinter steckt. Da der Sukuma Arts e.V. in Dresden gut vernetzt ist, wird er von vielen Helfer:innen unterstützt. Vielen Dank, dass wir beim Dreh dabei sein durften, uns hat der Tag sehr viel Spaß gemacht.

Haltet die Augen im Kino offen für einen Spot, der zum Nachdenken und darüber diskutieren einlädt.

Wer entdeckt Tonnja?

Essen ist politisch – Corona und die Auswirkungen auf unsere Ernährung.

Wir von „Zur Tonne“ haben im letzten Vierteljahr vermutlich noch mehr als sowieso schon gekocht. Es gab, was da war, weil wir keine Lust zum Einkaufen hatten oder die Regale leer waren. Also wurden wir erfinderisch und haben wild kombiniert, Blumenkohl in den Ofen gesteckt, Nudelteig ausgerollt und „Reste“ verwertet. Und damit waren wir nicht allein. Denn laut des im Mai veröffentlichten Ernährungsberichts 2020 hat die Corona-Krise nicht nur das Essverhalten vieler Menschen in Deutschland beeinflusst – sondern auch unseren Blick auf Ernährung und Landwirtschaft generell. So gaben 30 Prozent der Befragten an, jetzt mehr zu kochen und zu Hause zu essen. Gleichzeitig gewannen frische, regionale Produkte für sie an Bedeutung.

Ernährung ist systemrelevant

Corona hat noch einmal deutlich gemacht, dass Ernährung wichtig – ja sogar „systemrelevant“ ist. Denn essen muss Jede:r. Dabei ist die Situation nicht so rosig, wie sie jetzt vielleicht klingt. Denn schon vor Corona war unsere Ernährung in Schieflage geraten. Wir werfen Lebensmittel weg, sind Weltmeister im Export billigsten Schweinefleisches und beuten Menschen, Tiere und Umwelt gleichermaßen aus. Deutschland ist mittlerweile das Schlachthaus Europas, mit doppelt so vielen hier lebenden Nutztieren wie Menschen. 5 Millionen Tonnen Fleisch exportieren wir. Jedes Jahr.

Corona beschleunigt Entwicklung

Daran hat sich trotz der Corona-Pandemie wenig geändert. Tatsächlich beschleunigt sich die Zerstörung unserer Ressourcen gerade. Die Geschwindigkeit der Abholzung des Amazonas für Futtersoja hat sich im Mai verdoppelt. Weltweit sind Fleischfabriken Infektionsherde geworden und Preise für Obst und Gemüse teilweise um ein Viertel gestiegen. Damit ist und verursacht Corona auch eine soziale Krise. Denn obwohl 39 % der Befragten des Ernährungsreports angaben, dass die Landwirtschaft für sie an Bedeutung gewonnen hat und auch das Bewusstsein für lokal erzeugte Lebensmittel gestiegen ist, wurden auch in Deutschland die Fleischfabriken zu Infektionsherden.

Wie sieht die Ernährung der Zukunft aus?

Während die Befragten des Ernährungsreports angaben, für Fleisch auch mehr Geld ausgeben zu wollen, hatte ein deutscher Discounter Mitte Juni die Wurstpreise deutlich gesenkt. Trotz anhaltender Skandale in der Fleischindustrie, den lange bekannten ausbeuterischen Zuständen von Menschen, Tieren und Umwelt ist die Nachfrage nach billigem Fleisch ungebrochen. Während das Bundeslandwirtschaftministerium darauf hofft, dass der Verbraucher über seine Nachfrage diese Entwicklung lenken wird, sagen wir: NEIN. Es bedarf Gesetzen für den Schutz von Natur, Mensch und Tieren. Diese Verantwortung sollte nicht auf Bürger:innen übertragen werden. Was wir allerdings machen können – und müssen – ist, uns unsere Ernährung zurückzuerobern. Selber kochen, statt verarbeitete Lebensmittel mit problematischen Zutaten zu kaufen. Nur so gewinnen wir die Kontrolle über unsere Ernährung zurück. Nur so können wir mitwirken und entscheiden, wie wir uns morgen ernähren wollen. Damit unsere Ernährung weiterhin „systemrelevant“ bleibt.

Zur Tonne in der Presse: Plauener Stadtteilzeitung

Alle Beteiligte auf einem Bild / Foto: Steffen Dietrich

Premiere mit vielen Zuschauern

Im Rahmen unseres Picknicks am Hohen Stein in Dresden Plauen wurden wir von einem Journalisten der Plauener Stadtteilzeitung besucht. Die Veranstaltung hatten wir gemeinsam mit dem „Palais Café“ und dem Zukunftsstadtprojekt „Essbarer Stadtteil Plauen“ geplant und durchgeführt. Und uns aus mehreren Gründen besonders darauf gefreut. Nach einer coronabedingten Pause war das Picknick unsere erste Veranstaltung seit Februar. Und zum ersten Mal haben wir unsere mobile Küche Tonnja hier ausprobieren können. Umso mehr hat es uns alle gefreut, dass das Interesse am Picknick so groß war. Ob nun durch die Teilnehmenden – oder auch die Anwesenheit von Presse. Den Text könnt ihr hier lesen. Und wer jetzt Appetit bekommen hat, kommt bei der nächsten Veranstaltung einfach vorbei.

In geheimer Mission: Videodreh im Deutschen Hygienemuseum

Am 10. Juni waren wir im Deutschen Hygienemuseum unterwegs, um ein Video im Rahmen der aktuellen „Future Food“-Ausstellung zu drehen. Bereits Anfang Mai hatte uns Maria Matthes vom Hygienemuseum für eine Kooperation angefragt. Sie plante mit uns eine Mischung aus Workshop und Kochshow, in dem wir Rezepte für die Verwertung von Resten vorstellen und auch kochen sollten. Eigentlich unsere Leidenschaft – und trotzdem waren wir ziemlich aufgeregt. Denn vor einer Kamera standen wir noch nie.

Umgeben von drei Kameras

Unsere eigene „Kochshow“

Der Drehtag sollte schließlich knapp drei Stunden dauern. Während zwei Mitarbeiter des Medienkulturzentrum Kameras und Mikrofone aufbauten, gingen wir noch einmal alle Handgriffe im Kopf durch. Drehort war die bestens ausgestatte, brandneue Museumsküche, die wir frei nutzen konnten. Nachdem die Technik eingerichtet war, konnte es losgehen. In einem einzigen Take haben wir die Zubereitung eines Drei-Gänge-Menüs aus geretteten Lebensmitteln gedreht. Jeweils sieben Minuten waren pro Gang geplant – da wir allerdings soviel zu erzählen hatten, wussten wir bereits: Da muss der Schnitt ran.

Mit Maria Matthes vom Deutschen Hygienemuseum

Auch wir arbeiten an digitalen Konzepten

Das bestätigte uns nach dem Dreh auch Maria Matthes. Sie freute sich über unser Kommen. Noch vor der Coronakrise hatte das Museum ein umfassendes Begleitprogramm für die „Future Foods“ Ausstellung zusammengestellt – welches allerdings vollständig abgesagt werden musste. Nun versucht sie, digitale Angebote für das Haus zu entwickeln. Damit traf sie bei uns auf offene Ohren. Denn auch wir überlegen seit März, wie wir eigentlich weiterarbeiten können und wollen. Unser Ziel, Menschen zu erreichen und gemeinsam zu essen und zu kochen, ist derzeit nicht möglich. Daher arbeiten auch wir gerade an der Bereitstellung digitaler Inhalte. Wir danken dem Deutschen Hygienemuseum für das Vertrauen in uns und unser Projekt. Sobald die Videos geschnitten sind, lüften wir das Geheimnis, was da eigentlich gekocht wurde. Und wichtiger noch: Wie ihr diese Leckereien nachmachen könnt.

Viele Grüße vom Feld! Häppy 1. Mai!

Ein Teil von uns hat die letzten zwei Wochen den LebensWurzel e.V. & Schellehof – Solidarische Landwirtschaft auf dem Acker unterstützt. Wenn bei sengender Hitze und staubtrockenem Wind alles weh tut, konnten wir am eigenen Leib erfahren, was es bedeutet, eine Arbeit zu leisten – die, wie viele körperlich anstrengende Tätigkeiten, oft nicht die Anerkennung erhält, die ihr eigentlich gebührt.

Niedriglohnland Deutschland

So wie die 300 000 Menschen, die jedes Jahr als Saisonarbeiter nach Deutschland kommen, um hier vor allem Spargel und Erdbeeren zu ernten. Produkte, die wir lieben – und hinter denen eine Arbeit steht, die nur Wenige machen wollen. Daher arbeiten vor allem Menschen aus Osteuropa für Mindestlohn auf unseren Feldern. Die Reise, Verpflegung und Unterbringung zumeist von ihrem schmalen Lohn zahlen. Weit über 1000 Mal am Tag bückt man sich beim Spargelstechen – wer viel leistet, bekommt eine Zulage.

Das betrifft nicht nur Saisonarbeitskräfte. Jeder Fünfte arbeitet in Deutschland für unter 10 Euro die Stunde, im Niedriglohnbereich. Oft sind das ostdeutsche Frauen in Dienstleistungsberufen, Teilzeit- und Leiharbeiter. Nur ein Drittel der Beschäftigten im Einzelhandel wird nach Tarif bezahlt. Wie auch in der Gastronomie wird hier oft auf Teilzeitkräfte zurückgegriffen, die nur den Mindestlohn erhalten. Dabei verlangen diese Jobs, ob als Kellner, Pfleger, Saisonarbeiter, Kassierer, Lieferant, Regalverräumer, Raumpfleger, den Mitarbeitern psychisch und physisch alles ab – um am Ende Altersarmut zu erfahren.

Lokale Produzenten unterstützen

Es sind die Menschen in diesen Berufen, die sich und ihre Angehörigen seit 6 Wochen einer unmittelbaren Gefahr aussetzen. Deren Arbeitsbedingungen noch schwieriger wurden – und die mehrheitlich nur unzureichenden Schutz erfahren. So wie der an Corona gestorbene, rumänische Erntehelfer in Baden-Württemberg. Dabei ist vor allem kleinen Arbeitgebern das Wohlergehen ihrer Arbeitnehmer wichtig – sie können sich aber oft gegen finanzstarke Konkurrenz, die Löhne drückt, nicht behaupten. Auch deshalb müssen Arbeitnehmerrechte gestärkt werden. Auch deshalb ist es wichtig, lokale Unternehmen und Erzeuger zu unterstützen. Damit die Jobs erhalten bleiben – mit Löhnen, von denen ein gutes Leben möglich ist. Zu guten Bedingungen. Und hier kommen wir ins Spiel.

Applaus ersetzt keine gerechte Entlohnung

Ende März war er plötzlich überall – der Beifall für Menschen, deren Berufe plötzlich als „systemrelevant“ anerkannt wurden. Die uns nicht egal sein sollten, aber oft unsichtbar blieben. Auch wir tragen Verantwortung. Dafür, diese Zustände hinzunehmen und sie als normal zu akzeptieren – vielleicht auch, weil wir es nicht so genau wissen wollen. Wenn wir allerdings weiterhin wegsehen, wird sich die zunehmende Ungleichheit in der Gesellschaft noch beschleunigen. Auch wenn Corona irgendwann vorbei geht, müssen wir daher solidarisch sein mit den Menschen, deren Lohn oft zu wenig ist. Damit die Geste des Applauses nicht das Einzige ist, das bleibt.